24h MTB Finale Ligure 2011 Tag 2+3

Renntag. Geniales Frühstück unter strahlend blauen Himmel bei bester Laune. Es verspricht ein toller Tag zu werden, wenngleich es die Sonne jetzt schon sehr gut mit uns meint. Es ist verdammt heiss – und es wird wohl noch viel heisser! Die Stimmung ist super, alle fühlen sich fit. Wir sind maximal entspannt. Doch nachdem der Tisch geräumt ist, kommt dann Nervosität ins Spiel. Diese äussert sich vor allem, dass diverse Arbeiten an den doch eigentlich gut vorbereiteten Bikes verrrichtet werden.

Es werden zum wiederholten Male neue Reifen aufgezogen, Ketten bis zur Keimfreiheit gereinigt und überall Luft abgelassen und wieder reingepumpt wo ein Ventil zu sehen ist. Gegen 11Uhr machen sich sieben Jungs auf zur Rennbesprechung, nur ich ziehe es vor am Lager zu bleiben und noch ein bisschen zu relaxen, da ich einer der Startfahrer sein werde. So kann man auch ein Auge auf das Material werfen, dass sich um unser Camp angesammelt hat, denn wo eine Menge los ist, gibt es leider auch immer wieder Langfinger. Mittlerweile ist der Platz richtig voll geworden, überall wimmelt es von Leuten aus den verschiedensten Ländern, die Mucke dröhnt und der Lärmpegel steigt und steigt. Insgesamt sind 1500 Starter in den Kategorien Solofahrer, 4-er, 8-er und 12-er Teams am Start. Dazu noch eine Menge Zuschauer und Betreuer machen die Wiesen im Start und Zielbereich rappelvoll.

11:45 Uhr, die Jungs sind wieder da und berichten mir, dass der Start verlegt wurde und anders als im letzten Jahr nicht mehr in der Stadt sondern am Hafen- / Strandbereich von Finale stattfindet. Anders als Mike, unser anderer Startfahrer, verzichte ich darauf im Pulk mit den anderen 500 Startern schon um 12Uhr zum Ziel zu rollen, da ich nicht noch 45 Minuten in der Hitze grillen will, ehe es los geht. Ich chille noch ein bisschen, ehe ich mich um 12:25 aufmache und entlang der Asphaltstrasse den Berg hinunter nach Finale Ligure rolle.

Alles ist easy, ich liege gut in der Zeit, als ich um 12:35 unten im Ort ankomme. Dort ist jedoch kein einziger Velofahrer zu sehen, weit und breit keine Sau die was mit dem Rennen zu tun hat. Der Blutdruck steigt nun doch ein bisschen, als ich mich nach langen Suchen um 12:45 auf zur Polizeiwache mache und nach dem Startgelände frage. OK, ich bin falsch hier, der Start findet leider 6km ausserhalb in Finale Varigotti statt. Gut, dass ich den letzten Wochen mit Pino noch harte Intervalle gefahren bin, denn jetzt gilt es Gas geben und Einzelzeitfahren zum Startgelände.

Die Minuten verrinnen, ich male mir schon aus, wie nett die Anderen reagieren, wenn ich Ihnen beichte, dass ich 10 Minuten zu spät am Start war…Zum Glück habe ich genialen Rückenwind, und so bin um 12:59 am Startgelände. Schnell Bike in den Sand schmeissen und über den Strand zum Start sprinten. Eine Minute vor dem Start, der glücklicherweise erst um 13:04 losgeht, bin ich dort, wo sich dicht gedrängt die Fahrer für den Startschuss aufgestellt haben. Mein Puls ist jetzt doch ziemlich hoch, man kann nicht behaupten, dass ich mich nicht warmgefahren hätte.

Nach dem Start rennen viele wie die Verrückten, teils mit den Bikeschuhen, entlang des Strandes durch das Wasser, um an die 500m weiter hinten im Sand liegenden Velos zu kommen. Ich stresse mich jetzt nicht mehr, denn glaube nicht, dass das 24h-Rennen am Strand entschieden wird. Nach dem Ort geht es gleich hoch in die endlose Steigung, die über 400Hm auf Asphalt die ersten Opfer fordert. Wer hier zu schnell angeht, kann bei den Rampen mit bis zu 30% Steigung dem gehen schnell die Lichter aus. Bei über 30 Grad muss man zudem aufpassen nicht zu überhitzen, also ruhig Blut. Ich sammle auf dem Weg nach oben einen Strandläufer nach dem anderen wieder ein und befinde mich unter den ersten 25 als wir in den Trail abbiegen.

Über staubige Wurzelpassagen geht es auf steilen steinigen Abfahrten und die nachfolgenden Rampen zurück in den Start- / Zielbereich, wo ich mich Gerald schon erwartet. Ein paar Fahrer habe ich auf den Downhills ziehen lassen müssen um nicht allzu viel zu riskieren, aber wir liegen sehr gut im Rennen. Schweissgebadet bin ich sehr froh, die gefühlten ersten zwei Runden gut überstanden zu haben. Kurze Zeit nach mir kommt auch Mike in guter Position in den Wechselbereich und übergibt auf Stefan.

So spulen wir jetzt Runde für Runde in der sengenden Hitze Liguriens ab. Wir liegen nach wie vor gut im Rennen, auch wenn es schwerfällt bei der Vielzahl der verschiedenen Gruppen eine gute Rennübersicht zu behalten. Nach jeder Runde das selbe Ritual. Schnell duschen, essen, viel trinken und ein kurzer Bikeservice. Der erste Teil der Strecke ist so unglaublich staubig, dass die Ketten schon nach einer Runde voller Siff sind und nach Öl schreien. Mit Rundenzeiten zwischen 41 und 45 Minuten zeigen wir eine konstante Leistung, wo wir sicherlich mehr überholen, als überholt zu werden. Nachdem jeder drei Schleifen gefahren ist, macht sich die erste Müdigkeit breit.

Die Beine machen zwar bei allen von uns noch gut mit, aber es schleifen sich einige Unkonzentriertheiten ein, die uns viel Zeit kosten. Eine volle Runde wird leider nicht gewertet, weil der Transponder am Arm anstelle des Knöchels getragen wird. Danach gibt es Kommunikationsprobleme in der Wechselzone, so dass wir gefühlte 15 Minuten verlieren, weil ein Fahrer zwar schon im Ziel war, aber der Nächste nicht los gefahren ist und den Fahrer verpasst. Zudem schlägt die Defekthexe zu, dass wir insgesamt 6 Schläuche auf der Verbrauchsliste stehen haben. Einmal erwischt es Pino noch in der Wechselzone, gerade als er von Gerald abgelöst werden soll, merkt er, dass sein Vorderrad platt ist. So hat Gerald das zweifelhafte Vergnügen gleich weiterfahren zu dürfen.

Es wird Dunkel, die Moral ist trotz der Rückschläge bei allen noch gut. Ab 19Uhr muss mit Licht gefahren werden. Die Lupine Lampen am Helm machen ein fantastisches Licht, es ist fast taghell. Dennoch fällt es uns zunehmend schwerer die technisch anspruchsvollen Passagen in der Dunkelheit zu bewältigen. Die Strecke wird ausgewaschener und die Wurzeln stehen jetzt weit hervor, was das Plattenrisiko deutlich erhöht. Nach dem anstrengenden Tagesprogramm fahren wir jetzt zwei Runden hintereinander, wodurch die Müdigkeit, die jetzt voll einschlägt, nicht besser wird. Kaffee, Gels und Energiedrinks halten uns auf dem Sattel, aber das ein oder andere Male legt es uns leider hin. Zum Glück gibt es keine ernsthafteren Verletzungen zu beklagen. Da haben wir mehr Glück als andere, denn gerade jetzt in der Nacht hört man die Sirenen der Rettungswagen fast ununterbrochen. Als ich gegen 5:30Uhr auf meine letzten beiden Lichtrunden aufbreche, geht gerade über dem Meer die Sonne auf. Die spektakulären Eindrücke geben mir zusätzlich Motivation nochmals richtig durchzudrücken, damit ich mich danach für ein Stündchen hinlegen kann. Das Duschen spielt jetzt keine grosse Rolle mehr, denn zu gross ist die Sehnsucht nach der Matratze. Nur noch essen und trinken, dann schlafen, dass ist alles was jetzt wichtig ist. Die letzten Runden vergehen dann wieder schneller, das Ende ist in Sicht, Erleichterung macht sich breit, es fast geschafft zu haben. Die Rundenzeiten werden wieder schneller, wir sind maximal motiviert und fahren an vielen Fahrern vorbei, die am Ende ihrer Kräfte ihr Bike in den Anstiegen schieben müssen.

Als ich mich auf die Schlussrunde begebe, werde ich von meinen Teamkollegen noch mal richtig angefeuert und fahre wie im Rausch meine zweitschnellste Rundenzeit. Sektdusche im Ziel, Formel1 Gefühl. Kurz nach mir kommt auch Gerrit von Team B von seiner Schlussrunde ins Ziel. Ich kann es noch gar nicht fassen, es endlich hinter mir zu haben. Bei allen macht sich nun die grosse Erleichterung breit. Die Stimmung ist ausgelassen, aber es kommt trotzdem keine riesige Partystimmung auf, denn es fällt einem nicht leicht die erdrückende Müdigkeit zu kontrollieren. Wir sind unter den besten 20 Vierer Teams in der Profiwertung, wissen aber, dass wir eigentlich in die gefühlte Top Ten gehören, nachdem wir fast zwei Runden „verschenkt“ haben. Es war sicherlich eines der härtesten Rennen, die ich gefahren bin. Es waren unvergessliche Eindrücke und eine Wahnsinnsveranstaltung, die nach Wiederholung schreit.

Am Abend nach dem Pizzaessen in der Stadt müssen mich dann meine Kollegen stützen, nachdem ich einen völligen blackout habe und in mich zusammensacke…somit bleibt dann doch das Gefühl wirklich alles gegeben zu haben – was gibt es Schöneres?