Norco Search C.Ultegra 2016

09.02.2016 unter: Neue Räder

Rennrad? Crosser? Gravelbike! Das neue Norco Search C.Ultegra 2016 im Praxistest…

Norco Search Ultegra

„Graveln“ erlebt derzeit einen kleinen Hype. Um sich eine Vorstellung dieses Trends zu machen, muss man sich zunächst einmal mit dem Hintergrund des Worts beschäftigen. Das Wort „gravel“ stammt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt „Kies bzw. Schotter“. Wie oft war man als Rennradfahrer schon der Versuchung nahe, von einer gut ausgebauten Asphaltstraße in einen Schotterweg abzubiegen?! Gedanklich wahrscheinlich schon allzu oft – mit dem Rennrad jedoch aufgrund der Bereifung und der filigraneren Bauweise des Rahmens und der Gabel im Vergleich zu einem Crosser oder MTB-Hardtail eher nicht! Auch ich kenne das Phänomen recht gut. Da bist du auf der wunderschönen Passstrasse hoch zum Stilfser Joch unterwegs und freust dich auf die Abfahrt – doch beim Abzweig zum Umbrail erlebst du dein blaues Wunder: eine Schotterstraße, die dir bei der Überfahrt mit dem Rennrad ein klein wenig die Tränen ins Auge treibt. Hält der Reifen den kleinen Steinen stand? Puh, nochmal gut gegangen… Oder eine Tour durch’s nahegelegene Elsass: urplötzlich taucht eine Kopfsteinpflasterpassage vor dir auf, die dich komplett durchrüttelt und jedem Leichtbaufanatiker die Angst der Zerstörung auf die Stirn treibt (wozu ich mich offen nicht dazu zähle, da ich das letzte Gramm Ersparnis an anderen Stellen zuerst suchen würde – und ich noch anderen Hobbys nachgehe). Aber du stellst dir trotzdem die Frage, für welche Art von Belastung dein Renner eigentlich ausgelegt wurde. PS: die oben beschriebene Belastung sollte ein Renner eigentlich mühelos überstehen – ob es die Bereifung mitmacht, steht auf einem anderen Blatt…

Norco-Search-FUQRS_ok

Doch was, wenn du mal Lust auf eine kleine Cyclocross-Runde mit deinen Freunden hast? Hier in Südbaden treffen sich in den Wintermonaten immer mal wieder sonntagmorgens Radbegeisterte, um gemeinsam – abseits von Asphalt – ein paar Runden über „leichte Trails“ zu jagen. Unter dem Begriff FUQRS „organisiert“, interessiert sich dafür mittlerweile schon die Redaktion eines auflagenstarken Rennrad-Magazins. Mit dem klassischen Rennrad würde ich mich persönlich jedoch nicht auf diese Runden wagen – es sei denn, man hat daheim einen Goldesel stehen oder steht auf Grenzerfahrungen.
Also benötigt man eigentlich mehrere Räder für den Untergrund, wo ein Mountainbike noch unterfordert wäre: ein Rennrad und einen Crosser – oder aber eine eierlegende Wollmilchsau. Da die eierlegende Wollmilchsau ein sehr scheues Wesen ist und bisher noch nie so recht gesichtet wurde, hat sich die Bike-Industrie diesem Thema gewidmet und das Gravelbike entworfen: ein Bike, das auf Schotterwegen beheimatet ist – das aber auch für die Rennradausfahrt über einen Alpenpass oder mal für einen Cyclocross-Spass eingesetzt werden kann. Genau das richtige Bike für mich, der sich nicht noch mehr Zweiräder zulegen will, kann und möchte…

Norco Search Cyclecross

Norco, eine kanadische Bikeschmiede, war mir bisher eher von ihren qualitativ hochwertigen Mountainbikes aus der Gravity-Szene bekannt. Allerdings führen die Kanadier auch Rennräder, Cyclocrosser und eben Gravelbikes in ihrem Programm, die sie „adventure road bikes“ nennen. Mir hat es das Norco Search angetan, als ich Bilder und Spezifikationen von der Eurobike 2015 gesehen hatte – und mir im Laden von den spaßigen Testtouren berichtet wurde. Zuvor war ich leihweise auf einem GT Grade unterwegs, das in die gleiche Kategorie einzuordnen ist und schon gut zu fahren war. Das Design des Norco Search hatte es mir jedoch besonders angetan.
Ein robust aber zugleich ressourcenschonend konstruiertes Rennrad in hochwertiger Fertigung aus dem Werkstoff Carbon produziert, mit hydraulischen Scheibenbremsen, 2×11-fach Ultegra-Ausstattung, einem Cross-tauglichen und zugleich nicht zu schweren DT-Laufradsatz und einer eigenständigen Optik, die auch was fürs Auge bietet – das die zusammengefasste Beschreibung des unter Norco Search C.Ultegra 2016 ab sofort verfügbaren Gravelbikes (Link zum Webshop).

Norco Search

Was gibt es zum Norco Search bisher zu berichten? Nicht viel – aber dafür nur Gutes. Als ich das Bike am Samstag im Laden in Empfang nehmen durfte (abweichend zur Serie mit Schwalbe X-One Tubeless-Reifen, und zusätzlich mit fabric-Flaschenhalter und Shimano XT Trail-Pedalen ausgerüstet), bin ich gleich auf eine Tour durch’s Markgräflerland aufgebrochen. Waren die Schotterwege in den heimischen Weinbergen eher ein Tabuthema für meine bisherigen Rennradausfahrten, so bin ich diesmal bewusst dorthin aufgebrochen. Auf Asphalt beschleunigt das Norco Search wie ein reinrassiger Renner – doch wie verhält es sich zwischen den Reben? Klar schluckt es keine Unebenheiten weg, wie es eine Hardtail-Federgabel tun würde. Und klar auch, dass die Cross-Bereifung der Schwalbe X-One Tubeless-Reifen (Dimension 28×1,30) nicht mit einem MTB-Pneu à la Nobby Nic oder Racing Ralph gleichzusetzen ist. Aber es fährt sich gut und schnell – erstaunlich gut und erstaunlich schnell…
Und die Zugkraft der Disc-Stopper? Ein kleines Thema für sich. Was Scheibenbremsen angeht, bin ich als Mountainbiker nicht so sehr skeptisch eingestellt, wie viele meiner Rennradkollegen. Für mich sind sie Alltag und ich möchte nicht mehr darauf verzichten. Die Bremswirkung ist einfach zu bestechend und insbesondere bei Nässe den Felgenbremsen deutlich überlegen. Das Thema „Schleifgeräusche“ ist mit qualitativ hochwertigen hydraulischen Bremssystemen und einer guten Feineinstellung bei Radmontage (was wahrlich kein Hexenwerk ist) in den Griff zu bekommen. Umso sinniger sehe ich die Entwicklung durch den zunehmenden Anteil an Carbon-Laufrädern, die teilweise spezielle Bremsbeläge erfordern – worüber man sich bei Verwendung von Scheibenbremsen weniger Gedanken machen muss, da diese unabhängig vom verbauten Laufrad sind. Hitzeentwicklung wandert bei der Scheibenbremse in die Disc und kann durch deren Größe beeinflusst werden, wohingegen ein heißgebremster Laufradsatz eine zusätzliche Bewährungsprobe für den Reifen darstellt, der so schon genug Last zu tragen hat. Kurz und gut: das verbaute Shimano-Bremssystem mit 160er-Scheibe beisst sehr gut dosierbar zu und verrichtet auch bei einer steilen, kurvenreichen Asphaltabfahrt treu ihren Dienst – ohne Qualitätseinbuße. Wie es sich auf einer langen Alpenpassabfahrt verhält, gilt es noch am Norco Search in der kommenden Rennrad-Saison zu erkunden.

Norco Search Carbon

Und sonst so? Was gibt’s über das Norco Search C.Ultegra noch zu berichten?

Über die Ultegra-Schaltgruppe des Norco Search muss man nicht allzu viele Worte verlieren. Natürlich ist sie kein Schnäppchen. Wer sich aber dafür entscheidet, bekommt eine knackig funktionierende Rennrad-Schaltung ohne für mich erkennbare Schwächen.

Die Tauglichkeit bei einem Cross-Rennen konnte ich gleich am Sonntag beim FUQRS-Termin in Rimsingen antesten. Die erste Runde unserer CX-Trainingsrennserie bin ich recht verhalten angegangen, da gedanklich das „bloss nicht schrotten“ im Kopf rumschwirrte. Mit zunehmender Rundenzahl wurde ich lockerer und das Norco Search immer schneller. Ich würde es also einzig und allein mir zuschreiben (bzw. der brutal starken Konkurrenz), dass ich beim Zieleinlauf nicht unter den ersten Drei zu finden war. Es hat sich aber eine tolle Erkenntnis gezeigt: ich habe mit dem Norco Search C.Ultegra meine eierlegende Wollmilchrennradsau gefunden… ;-)

PS: wer sich nun die Frage stellt, ob man mit den Schwalbe X-One Tubeless-Reifen auch auf längeren Asphalttouren glücklich wird: eher nicht. Das Norco Search werde ich auch für den Powerman Zofingen im September einsetzen – aber dafür definitiv mit anderer Bereifung. Da geht der Trend zum Zweitlaufradsatz.

Last but not least: ganz aktuell hat das Norco Search Ultegra einen Design & Innovation Award 2016 gewonnen. Hier geht’s zur Norco-Pressemeldung. Eine weitere Auszeichnung, dass es sich nicht nur heiss fährt, sondern auch heiss ist…

Ronnie

Norco Search Carbon Ultegra