Rennradtrainingslager auf Mallorca – die Nachlese…

Was schon lange in meinem Kopf herumschwirrte, sollte dieses Jahr in Angriff genommen werden. Mit einem familiär geführten Anbieter aus Freiburg – dem Unternehmen Hirsch-Sprung – hatte ich die ideale Voraussetzung für meinen Plan gefunden, neben solidem Frühjahrs-Ausdauertraining auf dem Rennrad die Insel Mallorca zu erkunden, und dabei in lockerer Atmosphäre zu Fachsimpeln und zu Genießen.

Hirsch-Sprung aus Freiburg ist mir beim letztjährigen 24h-Rennen in Finale Ligure zum ersten Mal aufgefallen. Das Team war Zeltplatznachbar und Konkurrent auf der Strecke (wobei man das Wort Konkurrent bei diesem einmaligen Event nicht zu hart sehen darf). Dass sich unsere Wege im kommenden Jahr auf Mallorca wieder kreuzen würden, war mir dort noch nicht bewusst. Als „Konkurrenten“ beim 24h-Rennen an den Start gegangen, waren wir auf Mallorca Verbündete – mit der Zielsetzung, gemeinsam eine schöne Zeit zu verbringen und dabei eine gute Grundlage für die kommende MTB-Saison zu legen.

Der Zeitpunkt für das Trainingslager war in der Nachbetrachtung perfekt gewählt. Die zu Jahresbeginn hartnäckig umherschlagende Infektwelle war überstanden und das nasskalte Wetter im sonst so sonnenverwöhnten Markgräflerland machten Lust auf Tapetenwechsel. Am Freitag, den 15.03.2013 ging’s dann also mit dem Flieger ab Basel los – der Sonne entgegen…

Unsere Unterkunft war eine ruhig gelegene Finca in der Nähe des Städtchens Petra mit mehreren Doppelzimmern, einem Pool und einem riesigen Gemeinschaftsraum mit integrierter Küche, Essbereich und chilliger TV-Ecke. Diverse Sportmöglichkeiten und ein anliegender Kleintierzoo rundeten das Angebot ab – krähender Hahn inklusive.

Die Rennräder hatten wir zum Großteil vor Ort geliehen, was in meinen Augen eine gute Entscheidung war:
– kein zusätzliches Sperrgepäck,
– keine Demontage bzw. Montage (ausser der obligatorischen Klickpedal-Montage und Feinjustierung),
– eine ordentliche Ausstattung (Müsing-Alurenner mit Carbongabel und 3-fach Shimano-Kurbel – Upgrade auf Vollcarbon-Rennrad und 2-fach compact wäre möglich gewesen),
– zu einem marktüblichen Preisniveau.

Sollte man jedoch aufgrund körperlicher Voraussetzungen nicht so recht auf ein Standardmaß zurückgreifen können, ist eine Rad-Mitnahme aus Deutschland empfohlen bzw. sollte man sich diesen Punkt genauer überlegen.

Am Tag der Ankunft war zunächst das Kennenlernen der Trainingskollegen (m/w) angesagt. Verstreut aus Deutschland und der Schweiz hatte sich eine gemischte Truppe aus 14 Radbegeisterten eingefunden, die sich mehrheitlich zuvor noch nicht kannten. Darunter waren Teammitglieder des Craft Rocky Mountain Teams mit Wettkampferfahrung – vertreten waren aber auch leistungsorientierte Neueinsteiger, die zuvor noch keinen Wettkampf bestritten hatten und sich dieses Jahr intensiver mit der Materie beschäftigen wollen.
Um den Leistungsunterschieden gerecht zu werden, waren jeden Tag zwei Gruppen am Start, zu welchen man sich spontan anschließen konnte. Oft war auch noch ein Gruppenwechsel unterwegs möglich, da wir gemeinschaftlich in den Tag starteten.

Die ersten Trainingstage…

Natürlich konnten wir es uns am Ankunftstag nicht nehmen lassen, die Rennräder bei einer lockeren Ausfahrt einem Sitzpositions-Check zu unterziehen. Mit Sonnenuntergang gegen 19.15 Uhr hatten wir die ersten 35km und ca. 200 Höhenmeter in unserem Trainingstagebuch stehen.

Samstag, 16.03.2013 (Puig de Randa) – Etappenlänge 121km und ca. 1.350 Höhenmeter

Flach sollte die erste Tagesausfahrt werden – und die Anfahrt zum weithin sichtbaren Puig de Randa war auch einigermaßen flach. Denn Topfeben ist man auf Mallorca nahezu nirgends unterwegs. Ständig fährt man Wellen auf und ab, die einem am Ende des Tages nicht zu erahnende Höhenmeter auf den Radcomputer zaubern. In Randa angekommen, geht es dann die Serpentinenstraße zum 542 Meter über Meer (m ü. M.) gelegenen Puig de Randa hinauf. Spätestens hier dürfte sich der ein oder andere Radsportler gefragt haben, welche Definition für das Wort Flachetappe auf Mallorca gilt. Oben angekommen hatten wir einen weitläufigen Blick über die Insel zu genießen. Am Horizont waren schneebedeckte Bergspitzen zu erkennen – die Überbleibsel der Schlechtwetterfront der vergangenen Tage. Es sollte aber der letzte Anblick solcher Schneemassen für die kommenden Tage bis zur Rückkehr nach Deutschland bleiben – wir hatten ja Sonnengarantie gebucht…

Sonntag, 17.03.2013 (Cap de Formentor) – Etappenlänge 157km und ca. 2.100 Höhenmeter

Nach der ersten Tagesausfahrt in den Süden, ging die Planung für den zweiten Trainingstag in Richtung Norden – genauer gesagt zum nördlichsten Punkt der Insel Mallorca: zum Cap de Formentor. Bis zum Ortsausgang von Port de Pollença verläuft die Strecke wellig, ehe es dann die Stichstraße zum Cap de Formentor hinauf geht. Aufgrund guter Beine wählten zwei meiner Mitstreiter und ich eine spontane Erweiterung der Route um den zusätzlichen Aufstieg zum Wachturm von Almallutx, was sich als sehr lohnenswerte Entscheidung entpuppte. Die Aussicht dort ist traumhaft! Die weitere Route zum Cap de Formentor zeichnet sich durch Abfahrten und Aufstiege entlang der Küste aus – ebenfalls ein besonderes Erlebnis.
Der Rückweg erfolgte über dieselbe Straße wie bei der Hinfahrt, da es hier keine Wahlmöglichkeiten gibt (denn Stichstraße = Sackgasse). Ab Port de Pollença ging es dann hinauf in Richtung Kloster Llluc auf den Coll de Sa Bataia (579 m ü. M.) und von dort über Selva und Inca in Richtung Santa Margalida zurück zur Finca. 

Montag, 18.03.2013 (Orient) – Etappenlänge 175km und ca. 1.700 Höhenmeter

Welch klingender Name für eine Tagesausfahrt: „heute geht’s Richtung Orient“…
Orient ist ein kleines Bergdorf im Osten der Insel. Die Hinfahrt war gekennzeichnet durch schmale Straßen, die uns einen tollen Blick auf die blühende mallorquinische Landschaft ermöglichte. Hier ist der Frühling bereits eingetroffen!
Orient lässt sich von zwei Seiten anfahren. Wir wählten die Straße über Bunyola, da diese Variante von den Mallorca-erfahrenen Kollegen als die schönere beschrieben wurde. Mit schön viel Druck ging es in den Anstieg. Die Gruppe wurde gesprengt und so erreichten wir nach und nach den vereinbarten Treffpunkt. Ganz unbeschadet bin ich dabei leider nicht geblieben. In einer kurzen Serpentinenabfahrt entglitt mir das Vorderrad und ich fand mich recht plötzlich auf dem Asphalt liegend wieder. Außer ein paar kleineren Schürfwunden waren jedoch keine Verletzungen zu verzeichnen – wir hatten ja genügend Ärzte zur Erstdiagnose in unserer Gruppe dabei. Es war mal wieder der verflixte dritte Tag! Allerdings hatte ich bei der Trans Schwarzwald 2011 etwas weniger Glück mit meiner zwischenzeitlich vollständig genesenen Schulterverletzung…
Den kleinen Abflug konnte ich mental recht schnell verarbeiten, und so war auch der Rückweg zur Finca zu genießen – sofern man die druckvoll gefahrene und durch Windschattenspiele geprägte Einheit als Genuss bezeichnen kann. Landschaftlich war sie es allemal…  

Dienstag, 19.03.2013 (Sa Calobra) – Etappenlänge 157km und ca. 2.300 Höhenmeter

Der Morgen startete mit einer schon zur Tradition gewordenen Aussage einer meiner Trainingslagerkollegen: „Radfahren! Geil… Berge!! Geil…“ Und so sollte es nicht wundern, dass wir uns auch heute wieder in Richtung Norden der Insel aufmachten…
Der Weg führte uns über Sa Pobla, Búger, Campanet und Moscari nach Selva. Ab dort kannte ich die Straße durch unsere Ausfahrt am zweiten Trainingstag – allerdings in umgekehrter Richtung gefahren. Dennoch war dieses Wissen von Vorteil, da die Länge des Anstieges abzuschätzen war und man seine Kraft gut einteilen konnte. Mit entsprechender Geschwindigkeit sind wir auf den Coll de Sa Bataia geballert. Weiter ging es zum Coll dels Reis (728 m ü. M.). Ab dort fährt man eine spektakuläre Serpentinenstraße, die am Meer mündet – Sa Calobra. Als Erweiterung unserer Route wählten wir kurz vor Sa Calobra einen Abzweig nach links, welcher uns ein paar zusätzliche Höhenmeter und weitere sehenswerte Landschaftsbilder bescherte.
Nach Stärkung in Sa Calobra mit café con leche, Cola und einem Stück Kuchen machten wir uns auf den Rückweg zum Coll dels Reis – denn auch hier muss man sich die traumhaft schöne Abfahrt im Nachhinein wieder erarbeiten (der Stichstraße sei Dank!). Unsere weitere Route führte uns schließlich über Pollença (was eine Abfahrt!) zurück zur Finca.

Mittwoch, 20.03.2013 (Ruhetag) – Etappenlänge 50km und ca.  300 Höhenmeter

Wer glaubt, dass am Ruhetag die Beine komplett in Ruhe bleiben und man nur faul am Pool rumliegt, der irrt. Vielmehr geht es darum, die schon etwas schweren Beine wieder locker zu bekommen und seinem Herz eine kleine Verschnaufpause zu gönnen. Regeneration heißt also nicht, dass man komplett auf’s Radfahren verzichten muss.
Wir wählten für unseren Ruhetag eine lässige „Kaffeefahrt“ nach Petra – dem Ort mit ausgeprägter Café-Kultur. In Petra treffen sich tagsüber die Radfahrer, um bei einem café con leche die Sonne zu genießen und zu plaudern – ein wenig Dolce Vita…
Zwar ließ das Wetter keine Ausfahrt in kurzer Radkleidung zu – allerdings standen die Wetter-Vorzeichen für die kommenden Tage so gut, dass man das Tragen der Windjacke verschmerzen konnte. Außerdem musste ich ja auch irgendwann mal die kürzlich bei Follow Me gekaufte Gore Bike Wear Jacke (welche eigentlich für Regen vorgesehen war) einem Praxistest unterziehen… ;-)
Zwischenfazit zur Jacke: Packmaß passt, sitzt gut, bietet Windschutz, wärmt – lässt einen dabei nicht großartig Schwitzen. Daumen hoch! Zum Regenschutz keine Aussage möglich… :-)

Donnerstag, 21.03.2013 (Der Küstenklassiker)  – Etappenlänge 157km und ca. 2.650 Höhenmeter

Wir starteten früh in den Tag. Aufgrund des anstehenden Streckenprofils wählten wir für die Anreise nach Andratx einen Bus-Shuttle. Gegen halb zehn erreichten wir den Startpunkt unserer heutigen Tour. Anfangs noch etwas von der Küste entfernt, entwickelte sich die Route zu einem wahren Küstenklassiker. Man liegt nun jedoch falsch, wenn man denkt, dass ein Küstenklassiker schön flach die Küste entlang führt – dem ist nicht so. Mit dem Puig Major (880 m ü. M.) hat man den höchsten Pass der Insel zu erklimmen. Dafür wird man mit einem tollen Weitblick belohnt – und auch ein kleiner Schneemann war dort noch mit den letzten Schneeresten vom Straßenrand zu bauen. Dieser konnte sich jedoch aufgrund der frühlingshaft milden Temperaturen nicht lange halten und stürzte sich die Steinmauer hinunter. Winter adé (zumindest auf Mallorca)…

 

Im weiteren Streckenverlauf passierten wir erneut den Coll de Sa Bataia und begaben uns auf die rasante Abfahrt nach Pollença. An der Finca angekommen hieß es die Beine zu erfrischen. Also ging’s noch in Radklamotten direkt in den kühlen Pool…

Freitag, 22.03.2013 (heute wird geballert…) – Etappenlänge 210km und ca. 1.600 Höhenmeter

Mallorca – darunter verstehen doch viele Urlauber den Ballermann in S’Arenal. Also machten wir uns am vorletzten Trainingstag auf den Weg in Richtung Partymeile. Die knapp 90km bis S’Arenal führten uns durch das Landesinnere – stets in welliger Form auf und ab. Am Ballermann dann ein unbekanntes Bild: der Strand war menschenleer…
Auf dieses Erlebnis hin dachten sich wohl einige in unserer Gruppe, dass wir unseren eigenen Ballermann kreieren müssten. Jedenfalls war die Rückfahrt geprägt von Ausreißversuchen und Tempoverschärfungen, denen nicht alle folgen konnten oder nicht wollten – es wurde geballert ohne Ende. Und so kam es, dass die Zusatzschleife zur geplanten 200er Etappe nur noch zu viert in Angriff genommen wurde. Ab diesem Punkt war wieder „anständiges“ Rollen angesagt. Kurz vor dem letzten Anstieg des Tages zauberte Basti ein Stück Ritter Sport aus seiner Trikottasche – was war das für ein Hochgenuss mit Nuss!!!
Pünktlich zum Sonnenuntergang wurde das Tor zur Finca verschlossen. Der 200er war im Sack und auch die 1.000er Marke wurde an diesem Tag gesprengt…

Samstag, 23.03.2013 (Puig de Sant Salvador) – Etappenlänge 99km und ca. 1.100 Höhenmeter

Bezogen auf die Gesamtkilometer war der letzte Trainingstag nur noch ein Zusatzgeschenk. Im Vorfeld des Trainingslagers hätte ich mir nicht unbedingt vorstellen können, dass wir über 1.000km Radfahren würden. Allerdings geht das mit dem Rennrad schneller von der Hand, als dies mit dem MTB möglich ist.
Unsere letzte gemeinsame Ausfahrt brachte uns auf den Puig de Sant Salvador (509 m ü. M.), welcher vier Kilometer südöstlich von Felanitx thront. Die Serpentinenstraße hinauf bot uns neben einem weitläufigen Blick die letzte Gelegenheit, noch vorhandene Kräfte in den Beinen ausgiebig zu testen. Auch an diesem Tag war unser Bergsprinter Lorenz nicht aufzuhalten. Er erreichte die Passhöhe als Erster. Oben angekommen galt es die traditionelle Kaffee- und Kuchenpause zu genießen – und auf dem Rückweg machten wir nochmals Halt in Petra. Wenn ich so zurückblicke, waren da ganz schöne Kaffeetanten unterwegs. Ein Schelm, wer im letzten Satz eine Doppeldeutigkeit vermutet… ;-)

Der Abschied naht…

Am Samstagabend wurden unsere geliehenen Rennräder auf der Finca abgeholt. Somit war der Abreisetag zwangsweise zum radfreien Sonntag deklariert. Das Wetter spielte jedoch gut mit und so konnten wir die Sonne bei 22°C am Pool genießen. Dass es für längere Zeit die letzten Sonnenstrahlen bleiben würden, war uns dort noch nicht so recht bewusst – bei Ankunft in Basel beherrschte Schneeregen das aktuelle Wetterbild.

Das Fazit der Trainingslagerwoche:
Die Daten des Radcomputers betrachtend stehen insgesamt 1.161km und ca. 13.300 Höhenmeter zu Buche. Allerdings wäre das eine zu nüchterne Betrachtungsweise. Vielmehr wurden in der Woche neue Freundschaften geschlossen. Es wurde viel gelacht und wir hatten eine riesige Menge Spaß – auch wenn dies manch nicht so radverrücktem Leser dieses Beitrags nicht ganz einleuchten mag. Ja, man kann auch solch lange Einheiten auf dem Sattel mit intensiven Phasen als Genuss empfinden – dem Veranstalter Hirsch-Sprung, dem Wetter, der Landschaft, dem Essen aber insbesondere der tollen Truppe sei Dank! Ich hoffe, wir sehen uns wieder…

Bleibt nun zu hoffen, dass endlich auch der Frühling im Markgräflerland Einzug hält. Auch wir haben hier ein paar schöne Sträßle, die auf uns Radfahrer warten…